Warum tust du das?
Interview von Robert Domes mit Christian Rudolph im Sommer 2016
Warum gibst du dich der Kunst hin?
Wenn ich in mich hineinspüre, fühle ich einen tiefen Drang, etwas Schöpferisches zu machen. Es geht mir darum, etwas zu schaffen, was über den Alltagsgebrauch hinaus geht – aber immer in Verbindung mit einer handwerklichen Tätigkeit. Die Verbindung zwischen Kreativität und Handwerk war und ist mir wichtig. Diese Handarbeit gibt mir Bodenhaftung, sie erdet mich.
Wie bist du zur Bildhauerei gekommen?
Ich komme vom gestaltenden Handwerk, bin sozusagen Quereinsteiger. Nach meiner Goldschmiedelehre und einer kurzen Gesellenzeit habe ich ein Praktikum bei einem Bildhauer gemacht. Dieser Kontakt hat mich geprägt und nachhaltig beeinflusst. Danach war ich an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, um in der Metallklasse bei Prof. Hössle zu studieren. Hössle legte großen Wert darauf, den Studenten in allen Bereichen der Metallgestaltung – Gold-,und Silberschmied, Design, Bildhauerei – eine fundierte und handwerklich geprägte Ausbildung zu bieten.
Letztlich hast du doch den Mut aufgebracht, vom Kunsthandwerklichen zum Künstlerischen zu wechseln.
Der Weg dorthin hat von meiner Lehrzeit bis nach meinem Studium gedauert. Ich war ja schon nach dem Studium freischaffend, aber eher im Bereich der angewandten Kunst. Doch mehr und mehr hat sich mein Wunsch durchgesetzt, mich bildhauerisch auszudrücken, größere Metallskulpturen zu machen. Das wollte ich unbedingt ausprobieren. Und zwar mit dem Formenkanon, den ich gelernt hatte in der Lehre und im Studium bei meinem Professor. Form follows function – diese Vorgaben habe ich in meiner Formensprache übernommen. Bis hin zu meinen heutigen Arbeiten, die alle streng und konsequent sind.
Wie verlief der Weg von den ersten Versuchen zu deinen heutigen Werken?
Wichtig ist, eine eigenständige künstlerische Position zu entwickeln, was mitunter zehn bis fünfzehn Jahre dauern kann. Denn nur dadurch kann man sich auf dem Kunstmarkt behaupten. Wenn man heute eine Metallplastik von mir sieht, dann ist diese Formensprache nicht kontinuierlich aus dem Studium heraus entstanden, sondern es gibt einige Brüche. Zum Beispiel bei der Werkgruppe »Klappung«, die aus Quadraten und Kreisen entwickelt ist. Diese Arbeiten hatten noch nicht die Qualität, wie sie heute bei mir erkennbar ist. Bei meinen aktuellen Arbeiten ist es wichtig, dass man meinen Namen dahinter ablesen kann.
Welche Künstler waren für dich Vorbild?
Während und nach dem Studium habe ich in einer Kunstgießerei in Nürnberg als Former, Schweißer und Ziseleur gearbeitet. In diesen Jahren lernte ich viele interessante Künstler und Bildhauer kennen, die mich nachhaltig beeinflussten. Da war vor allem Ernst Geserer, ein figürlich arbeitender Regensburger Bildhauer. Ich habe sehr viel bei ihm gelernt. Daneben gibt es natürlich viele berühmte zeitgenössische Bildhauer, die in einer ähnlichen Formensprache arbeiteten und ein Vorbild für mich sind. Chillida oder Richard Serra zum Beispiel.
Warum arbeitest du in Metall? Was ist das Besondere an dem Material?
Das Interessante ist, dass Metalle so vielschichtig sind, dass es so viele unterschiedliche Metalle gibt, die verschieden reagieren, unterschiedlich hart, weich, zäh, leitfähig sind. Bronze zum Beispiel verhält sich grundsätzlich anders als Edelstahl.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Ich beziehe meine Ideen und Inspirationen nicht aus der Natur, vielmehr unterliegt meine künstlerische Formensprache der Geometrie. Ich arbeite nicht gegenständlich. Zumeist sind es Elemente aus Architektur und Technik, die mich inspirieren. Was die Raumspuren anbelangt, war das eher ein Zufall. Ich habe ein Foto entdeckt, das eine bewegte Lichtquelle in der Dunkelheit zeigt, und mir überlegt, wie kann ich diese Spuren in Metall nachempfinden. Ich habe zuerst mit Papier »gespielt«, habe untersucht, was passiert mit Papierstreifen. Schließlich bin ich zu einem Ergebnis gekommen, aus dem sich diese Werkgruppe entwickelt hat.
Wie verläuft der Prozess von der Idee bis zum fertigen Werk?
Ich habe zunächst eine Vorstellung im Kopf. Dann versuche ich, diese Idee in Papier oder in anderen Materialien umzusetzen. Aus den Papiermodellen heraus suche ich einen Weg, wie ich das umsetzen kann. Dabei muss ich mir überlegen, wie ich das technisch umsetzen kann. Da helfen mir meine Kenntnisse im Metallbereich, meine Erfahrungen in der Gießerei oder als Schweißer. An meinen Modellen kann ich klar erkennen, wie ich die Teile schneiden, umformen, walzen, stanzen oder pressen muss, um zum Ziel zu kommen.
Das kannst du aber nicht alles in der eigenen Werkstatt umsetzen?
Ich versuche, möglichst viele Arbeitsprozesse selbst auszuführen. Das hat nicht nur etwas mit Kostenersparnis zu tun, sondern dass ich möglichst viele Phasen im Entstehungsprozess kontrollieren und korrigieren kann. Die Vorarbeiten vergebe ich an Fremdfirmen, das Laserschneiden, das Wasserstrahlschneiden und auch das Biegen größerer Blechzuschnitte. Danach baue ich die Teile in meiner Werkstatt zusammen.
Du nimmst es sehr genau, um deinen Objekten den letzten Schliff zu geben.
Ich habe eine ganz bestimmte Vorstellung, wie das auszusehen hat. Wenn du in exakten Formen arbeiten willst, muss alles stimmig sein, auch die Oberfläche. Wenn da eine Delle oder eine Unstimmigkeit drin ist, fällt das sofort auf. Je einfacher und klarer die Form ist, desto mehr fallen Fehler auf. Und da will ich mich nicht auf künstlerische Freiheit berufen. Ich muss mit allen Konsequenzen die exakte Form einhalten, damit sie überzeugend ist.
Was ist dir wichtiger, das Handwerkliche oder das Künstlerisch-kreative?
Auch wenn es in manchen Kreisen verpönt ist, muss meiner Meinung nach beides vorhanden sein. Wenn Kunst überzeugt, dann in beiderlei Hinsicht, dass das Handwerk und auch das Kreative stimmt und wenn beides sich sinnvoll ergänzt.
Die Haptik deiner Arbeiten verleitet dazu, sie anzufassen. Ist das für dich in Ordnung?
Das gehört dazu. Plastiken muss man anfassen können. Auch auf Messen oder Ausstellungen kommt es vor, dass Leute fragen, ob sie es anfassen dürfen. Dann streicheln sie drüber und begeistern sich für die Oberflächen. Das finde ich durchaus legitim. Und es freut mich auch.
Bist du ein Perfektionist?
Was meine künstlerischen Arbeiten anbelangt, geht es in die Richtung. Trotzdem kommen immer wieder Selbstzweifel, ob ich mich vielleicht noch steigern kann. Das ist vielleicht auch der Antrieb für mich, immer weiter zu machen.
Gibt es eine »Botschaft«, die du in deinen Werken vermitteln willst?
Ich bin kein philosophischer, sozialkritischer oder politischer Künstler. Es gibt also keine Botschaft in dem Sinne. Meine Formensprache beruht auf geometrischen Grundformen, die ich zitiere, bearbeite und modifiziere.
Das heißt, du gibst nicht vor, wie die Betrachter deine Werke sehen?
Meine Formen sind so offen, dass genug Platz entsteht für unterschiedliche Interpretationen. Der eine sieht ein Tier darin, der andere sieht die Ursprungsidee einer Leuchtspur, andere lesen sie als rein ästhetisches Element oder entdecken darin eine Kalligraphie.
In jedem Kunstwerk steckt der Künstler. Welche deiner Eigenschaften zeichnet deine Kunst aus?
Ich versuche, mein Leben überschaubar zu halten, nicht zu kompliziert werden zu lassen. Vielleicht steckt ein Stück davon in meinen Arbeiten. Sie zeigen Klarheit, Einfachheit, Nachvollziehbarkeit und Strukturiertheit.